Ein erster Einblick

Veröffentlicht am 5. Juni 2025 um 01:31

Sich mit sich selbst auseinander zu setzen ist eklig. Nennen wir es beim Namen. Jeder meint nach außen hin perfekt sein zu müssen. Gut aussehen, lächeln, den Alltag meistern.

Doch sind wir mal ganz ehrlich: Das schafft so gut wie niemand. Jeder tut immer nur so. Und das finde ich genauso schlimm, wie zuzugeben, dass man Probleme mit dem Leben hat.

Also lasst mich euch von meinem Leben erzählen. Vielleicht bin ich damit alleine, vielleicht auch nicht.

Es ist aktuell 00:15 Uhr. Mal wieder kann ich nicht einschlafen. Und warum? Ich bin heute von einer Dienstreise zurückgekommen. Die Wohnung ist ein absolutes Chaos, weil ich mir vor meiner Abreise gesagt habe, dass ich das schon machen werde, wenn ich zurück bin.

Ich habe absolut gar nichts gemacht, außer mir die restliche Pizza aufgewärmt und gegessen. Der Müll? Liegt auf dem Herd. Wegräumen war bisher einfach noch nicht drin. Die letzten 1,5 Wochen habe ich mal wieder nur funktioniert. Abgesehen von einem kleinen medizinischen Eingriff, der mich dann doch etwas mehr mitgenommen hatte, als ich es gerne gehabt hätte, war ich einfach da. Keine Ahnung, wie ich so etwas anders beschreiben soll. Man wacht auf, trinkt einen Kaffee und beginnt mit seinem Tag. Und irgendwann ist dieser Tag auch wieder vorbei und was hat man geschafft? Gefühlt gar nichts. Dabei war ich trotz Schmerzen arbeiten, zumindest die ersten 1,5 Tage. Doch weil ich nicht zugeben wollte, dass es mir nicht gut geht, habe ich mir Ausreden einfallen lassen. Ich habe zwei Tage Urlaub genommen. Und in diesen zwei Tagen mich mehr mit Bürokratie und dem Sterben auseinandergesetzt als mir lieb ist. Aber ich habe es gemacht, weil es von mir erwartet wurde.

Und abends liege ich im Bett und fühle mich einfach nur scheiße. Ich kann noch nicht mal beschreiben warum genau. Es ist einfach so ein absolut mieses Gefühl. Leer, aber trotzdem voller Sorgen, eine kleine Existenzkrise kommt dann auch noch dazu und zack – da hat man die nächste Panikattacke. Herzlichen Glückwunsch an mich selbst. Bitte, Danke, gern geschehen.

Dabei weiß ich selbst nicht, wieso ich es jedes Mal aufs Neue dazu kommen lasse. Ich weiß doch, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich meinen Mitmenschen nicht die ganze Wahrheit sagen kann oder will.

Ich erzähle meinem Chef und meinen Kollegen doch auch, dass mich die OP mehr mitgenommen hat als ich mir selbst eingestehen möchte. Warum also, kann ich das meinen Mitmenschen im privaten Umfeld nicht auch sagen?

Laut meiner Therapeutin ist das mein Versuch, sie vor Leid zu schützen. Natürlich. In meinen Augen ist es absolut normal alles erdenklich Mögliche zu tun, um zu verhindern, dass meine Lieben sich auch noch um mich Sorgen machen müssen.

Dass das ganz schön nach hinten losgehen kann habe ich aber auch nach meiner OP erfahren dürfen. Da ich nicht wollte, dass sich meine Liebsten um mich sorgen müssen, habe ich nur ganz wenigen davor davon erzählt.

Meiner Mutter habe ich es am Tag meiner OP erzählt, allerdings auch erst danach. Und jetzt macht sie sich Vorwürfe, warum ich nicht das Gefühl habe, mich ihr anvertrauen zu können.

Meine Aussage, dass ich sie damit nicht belasten wollte, fand sie nur noch schlimmer.

Sie hat es bestimmt nur gut gemeint, aber ich habe mich damit irgendwie unter Druck gesetzt gefühlt. Und ich habe immer noch das Gefühl, dass ich es irgendwie wieder gut machen muss.

Selbstverständlich habe ich mit meiner Therapeutin darüber gesprochen. Und was glaubt ihr, was sie dazu gesagt hat? Es wäre nicht in meiner Verantwortung wir meine Mutter sich fühlt. Also Entschuldigung? Ich kann es natürlich absolut verstehen, dass meine Mama sich hintergangen fühlt.

Am Ende der Sitzung haben wir uns darauf geeinigt, dass ich meiner Mama meinen Standpunkt noch einmal deutlich machen soll und dass es nicht an ihr liegt, dass ich nichts erzählt habe.

„Kommunikation ist in jeder Beziehung der Schlüssel.“ Ja klar, schon verstanden. Aber genau da liegt doch mein Problem. Ich habe absolut keine Ahnung wie ich meine Gefühle einer anderen Person gegenüber beschreiben soll.

 

Manchmal habe ich das Gefühl, in meiner Therapie einfach nicht vorwärtszukommen. Ganz schön bescheuert. Für Depression gibt es keine Heilung. Man hatte, hat und wird es immer haben (immerhin etwas, das für immer bei mir bleibt). Ich kann also nur lernen, damit umzugehen. Klar, es gibt wunderbare Medikamente, aber das möchte ich nicht. Ich möchte mein Leben nicht nach irgendwelchen Tabletten richten und dadurch nicht mehr ich selbst sein. Schon irgendwie ironisch. Ich kann mich selbst eigentlich gar nicht wirklich ausstehen, möchte aber trotzdem so bleiben, wie ich bin.

 

 

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